Seit Jänner 2024 haben alle Schülerinnen und Schüler sowie alle Pädagoginnen und Pädagogen ein Exemplar des eigens für das Gymnasium Kollegium Kalksburg verfassten Gebetsbuchs „Ad maiorem“.
Wir haben dieses Gebetsbuch, weil es vielstimmige Anfragen nach einem solchen Behelf gegeben hat. Das Büchlein umfasst eine größere Auswahl an formulierten Gebeten für verschiedene Anlässe, an fremdsprachigen Gebeten, an Gebetsanleitungen sowie an kurzen Texten und Impulsen. Nebenher bietet das Büchlein auch Hilfen und Gebetsweisen aus der Glaubenspraxis der Jesuiten, die man nach dem Ordensgründer auch „ignatianische Spiritualität“ nennt. Auch wenn das Gebet seiner Natur nach eine sehr persönliche Angelegenheit ist, so können formulierte Gebete einer Gemeinschaft Worte „leihen“, welche die Stimmung von vielen wiederzugeben vermögen.
Wir haben ein Gebetsbuch, weil unser Zusammenleben im Allgemeinen und Beginnen im Besonderen Rituale braucht: der Tagesanfang, der Stundenbeginn, ein besonders trauriger oder schöner Moment. Ein kurzes, zweckfreies Innehalten hilft, sich „einzuschwingen“ auf die Zusammenarbeit, die Herausforderungen oder auf die Einzigartigkeit einer Stunde. Rituale helfen, ganz da zu sein und gegenwärtig zu werden oder mit anderen Worten: die Seele nachkommen zu lassen. Wir Menschen sind keine Roboter, sondern leib-seelische Wesen. Menschen spüren und reagieren sehr stark auf den „Spirit“, der in einer Gemeinschaft herrscht. Ob Einschüchterung, Müdigkeit, Offenheit oder Kreativität: wir leben in gewisser Weise von der Stimmung, die in der Luft liegt. Das gemeinsame Gebet soll und kann einem guten Geist Raum geben. Wir haben ein Gebetsbuch, weil eine Schule in ignatianischer Tradition wie das Kollegium Kalksburg die Frage nach Gott offenhält. Wo gebetet wird, kommt man nicht umhin, selbst Stellung zu ergreifen. Wer betet, macht ein „Statement“.
Und wenn uns irgendetwas berührt und die Kraft hat, uns zu verändern, so ist es das persönliche Zeugnis eines Menschen. Das, was wir heute gern neudeutsch „Testimonial“ nennen. Es wird vorkommen, dass Gebete „heruntergelesen“ werden. Es wird aber auch vorkommen, dass bei Erwachsenen wie Jugendlichen „in den Herzen lebt, was die Lippen sprechen“ (Augustinus). Das berührt und prägt unser Schulprofil vielleicht mehr als das ausgefeilteste Mission Statement. Wer öffentlich betet, hat schon eine gewisse Hemmschwelle zu überwinden: Belästige ich die anderen nicht damit? Darf ich ihnen das zumuten? Zwang in der Religion ist unmöglich, das bedarf keiner Debatte. Es gibt aber auch einen „Verschonungsliberalismus“ (Tobias Zimmermann SJ), welcher der menschlichen Suche nach echtem Halt im Leben ebenso wenig gerecht wird. Wer im Gebet geübt ist, weiß, wie viel Geborgenheit, Orientierung und Kraft dieser geistige Wahrheitsraum schenken kann. Wir haben ein Gebetsbuch, weil es Menschen gibt, die eine Erfahrung gemacht haben und die sie im Sinn des Evangeliums teilen und anbieten wollen: „Komm und sieh!“
Zum Autor
P. Hans Brandl SJ
ist Schulseelsorger am Kollegium Kalksburg