16. März 2020 – ein erinnerungswürdiges Datum, Tag der Schulschließung in Österreich. Innerhalb weniger Tage veränderte sich unser System Schule, wie wir es bis dorthin kannten, vom Präsenz- zum Fernunterricht. Mittlerweile befinden wir uns auf einem vorsichtigen Weg zurück zur Normalität, doch es bleiben Fragen: Inwiefern hat dieses Virus unser (Schul-)Leben, die Art des Lernens verändert und was lernen wir daraus?
Plötzlich spüren wir – SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen – am eigenen Leib eine drastische Änderung der Lebenswelt, massive Einschränkungen der sozialen Interaktion, den Verlust der persönlichen Freiheit, und wir konzentrieren uns alle auf das Machbare. Digitale Plattformen, deren Sinnhaftigkeit wir Erwachsene bis zu diesem Zeitpunkt belächelt haben, dienen dem Austausch mit SchülerInnen und KollegInnen, fordern unsere Weiterentwicklung und Auseinandersetzung mit modernen technischen Mitteln. Unsere Anpassungsfähigkeit an wechselnde Gegebenheiten ist gefragt, genauso wie positives Denken – gemeinsam schaffen wir das!
Wir machen das Beste aus der Situation und merken, wie Kleinigkeiten – ein gemeinsames Essen mit den noch verbliebenen Personen am Kollegium Kalksburg, natürlich mit gebührendem Sicherheitsabstand – mehr Gewicht bekommen. Diese Erfahrungen erfassen den ganzen Menschen: sein Herz, seinen Verstand und seinen Willen. Durch die „verordnete“ Entschleunigung entsteht Raum für Wertschätzung des anderen und seiner Tätigkeit, Zeit für Innehalten und eine Neudefinition der persönlich wichtigen Werte. Zusammenhänge werden neu gedacht, Sinnhaftigkeiten hinterfragt und neue Einsichten erlangt.
Die Abwägung, ab welchem Alter selbstständiges Erarbeiten eines Lehrstoffes zumutbar ist, das Hinterfragen der Rolle eines Pädagogen – Wissensvermittler oder Mentor – die Bedeutung von Selbstorganisation und Strukturierung im Schulalltag schwirren durch unsere Köpfe. Nunmehr stehen wir an dem Punkt, an dem wir entscheiden, ob wir die gewonnenen Erkenntnisse in unser Tun, in unseren Alltag einfließen lassen. Wir werden sehen, welche Lernfortschritte wir als Schule machen, und ob wir die Chance, die in der Krise „Corona“ steckt, nützen werden. Nutzen wir die Vorteile der Digitalisierung für uns, hören wir auf die Rückmeldungen der SchülerInnen und vereinen wir das Beste aus zwei Welten – der analogen und der digitalen! Virtuelle Klassenzimmer mögen sichere, geschützte Lernumgebungen schaffen, dennoch lebt Schule von Beziehungen und menschlicher Interaktion. Danach sehnen sich nicht nur die SchülerInnen, die seit der Schulöffnung mit Freude das Schulhaus betreten, sondern auch die Lehrkräfte, die glücklich sind, wieder vor „ihrer“ (wenn auch verdünnten) Klasse zu stehen.
Dieser Kreislauf von Lernerfahrungen – Kontext / Erfahrung / Reflexion / Handeln / Auswertung – begleitet uns ein ganzes Leben lang. Die persönliche Weiterentwicklung eines Menschen ist nicht nur in der Schule gefragt, sondern wird vor allem im Leben danach, auf welches wir unsere SchülerInnen vorbereiten, gefordert. Dieses pädagogische Paradigma entspricht zutiefst dem Charisma des ignatianischen Gründerordens unserer Schule.
Zur Autorin
Dir. Mag. Irene Pichler
ist Direktorin und Standortkoordinatorin am Kollegium Kalksburg.